Donnerstag, 14. Juli 2022

Die persönliche Erfahrung der Realität

 


Es sieht der Mensch die Welt fast immer durch die Brille des Gefühls, 
und je nach der Farbe des Glases erscheint sie ihm finster oder purpurhell.

Hans Christian Andersen (1805 - 1875) 


Bei kleinen Kindern, die miteinander spielen, kann man die unterschiedlichsten Stimmungsschwankungen sehr gut beobachten. Eben noch fröhliches Lachen und ausgelassenes Toben, dann urplötzlich schmerzhaftes Schreien und Weinen, weil ein Kind sich beim Herumtoben verletzt hat. Danach wird es von der Mutter oder dem Vater getröstet und schon hat es ein lachendes Gesicht und eine gute Stimmung, während die Tränen noch nicht getrocknet sind und das eben Erlebte scheint bereits vergessen zu sein.

Die Erwachsenen haben mit den Jahren gelernt, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken, weshalb man schon genauer hinschauen muss.

Grundsätzlich ist die Frage, ob das Glas halbleer oder halbvoll ist, woran erkennbar ist, ob man es eher mit einem Pessimisten oder Optimisten zu tun hat. Allerdings, ist nicht alles schwarz oder weiss, sondern es gibt - wie überall - unzählige Schattierungen von grau.

Wie ein Mensch die Realität wahrnimmt, hängt von seiner Erziehung, Kultur, Religion, Prägung und vielem anderen mehr ab. 

Menschen, wo die oben erwähnten Punkte ähnlich sind, werden die sogenannte Realität ähnlich oder gar gleich erfahren. 

Wenn 100 Menschen genau das ganz gleiche erleben, wird jeder das Erlebte anders interpretieren. Die Interpretation der gemeinsam erlebten Realität kann die gesamte Palette von Positiv bis Negativ umfassen. Deshalb ist es so wichtig zu wissen, wie das Gegenüber "tickt", denn jeder Mensch sieht die Welt und was darin passiert, komplett anders. Gerade in den vergangen zwei Jahren war deutlich erkennbar, wie Menschen, die ein und dieselbe Situation, vollkommen verschieden interpretiert haben. 

Genauso wichtig ist auch die Interpretation des gesagten Wortes. Es gibt unzählige Formulierungen, die ein Deutscher verwendet, welche im benachbarten Ausland nicht immer so gut ankommt, wie auch ebenso Redensweisen in anderen Ländern, welche sogar sehr beleidigend für einen Deutschen, Österreicher, Schweizer, Italiener, Franzosen, Spanier, Argentinier, Israeli, Araber, Russen, Chinesen, Japaner usw. sein können.

Deshalb müssen Menschen miteinander reden, wenn sie einander verstehen wollen. Falls nicht, dann sollte man es beim Smalltalk belassen, da dies besser für den Frieden ist.

Erst dieser Tage hatte ich ein Telefonat mit einem Bekannten, der mir berichtete, dass ihm ein gemeinsamer Freund im Laufe der Jahre beigebracht hatte, dass das Glas halbvoll und nicht halbleer ist...

Die Sichtweise eines Menschen auf die Dinge des Lebens kann sich jederzeit erweitern oder verändern und somit wird auch die Welt anders wahrgenommen.

Wenn ein Mensch verliebt ist, wird alles positiv interpretiert, währenddessen, wenn derselbe Mensch gerade ein persönliches Drama erlebt hat, kann die gleiche Welt drumherum plötzlich äusserst dunkel und negativ empfunden werden.

Eine sehr gute Freundin sagt: "Es ist alles Kopfkino!" Alles, was wir erleben, interpretieren wir letztlich im Kopf. Wir filtern die gesamten Informationen (sehen, hören, schmecken, riechen usw.) und erst danach (innerhalb Bruchteilen von Sekunden oder weniger Sekunden) machen wir uns ein Bild des Erlebten. Interessant ist, dass teilweise ähnliche Erlebnisse, Menschen, Verhaltensweisen bereits im Vorfeld in Schubladen gesteckt sind und dort sofort "als real" abgerufen werden können. 

Ob die Realität tatsächlich so war, wie wir sie empfinden, oder ob wir entweder in die eine oder andere Richtung interpretiert haben, können wir oft nur im Vergleich mit anderen Menschen klären, welche dieselbe Situation auch miterlebt haben. 

Niemand hat die Deutungshoheit! Es gibt kein richtig oder falsch, wobei irren ja bekannterweise menschlich ist. Jeder Mensch - ob bewusst oder unbewusst - filtert und färbt das Erlebte, gemäss seiner eigenen Lebenserfahrungen und Konditionierungen...

Je nach persönlicher, menschlicher oder spiritueller Entwicklung, werden wir eine Lebenssituation einerseits erfahren und auch dementsprechend bewerten, bis zu dem Zeitpunkt, wo wir nichts mehr bewerten werden, weil wir gelernt haben, das Jetzt zu akzeptieren. Das ist dann der Meisterweg, der unzähliges Üben und sehr viel Geduld mit sich selbst und den Mitmenschen voraussetzt.

Zudem sollte man wissen, dass alles Energie ist und je nachdem, in welcher Energie man sich befindet, dementsprechend wird man alles, entweder positiv oder negativ empfinden.

Nur derjenige, welcher das Spiel des Lebens, mit der Zeit, etwas mehr durchschaut, wird erkennen, dass alles Negative etwas Gutes und alles Positives auch etwas Schlechtes beinhaltet. 

Unterm Strich nennt man das Leben, Erfahrung, die Schule des Lebens, in der wir sind, solange wir in einem menschlichen Körper leben. 

Selbst die weisesten Menschen mussten erkennen, dass das Leben und das, was wir lernen und erfahren dürfen, uns immer wieder überraschen kann. 


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