„Wem der Himmel eine große
Aufgabe zugedacht hat, dessen Herz und Willen zermürbt er erst durch Leid.“
Diese Worte des chinesischen Philosophen Mengzi, der vor über 2000 Jahren
lebte, fassen in ihrer Einfachheit eine tiefe Wahrheit über den menschlichen
Reifungsprozess zusammen. Sie erinnern uns daran, dass das Leben kein
geradliniger Weg ist, sondern ein ständiges Auf und Ab, das uns formt –
manchmal sanft, oft jedoch durch Herausforderungen und Schmerz. Doch genau in
diesen schwierigen Momenten liegt eine verborgene Möglichkeit: die Entwicklung
von Hingabe und Vertrauen. In diesem Artikel möchte ich dieses Thema aus
verschiedenen Perspektiven betrachten – von der antiken Weisheit eines Sokrates
über die Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs bis hin zu persönlichen
Erfahrungen, die zeigen, dass selbst in den dunkelsten Stunden ein Sinn zu
finden ist. Besonders möchte ich auf das Urvertrauen kleiner Kinder eingehen,
das uns als Erwachsene oft verloren geht und das wir wiederfinden müssen –
nicht nur in andere Menschen, sondern in uns selbst, ins Leben und in die
Gewissheit, dass wir stets geschützt und behütet sind.
Sokrates: Das untersuchte
Leben
Sokrates, der griechische
Philosoph, war überzeugt, dass ein „untersuchtes Leben“ der Schlüssel zu
Weisheit und Erfüllung ist. Für ihn bedeutete dies, sich den großen Fragen des
Daseins zu stellen – auch wenn sie unbequem sind. Leid, so könnte man aus
seiner Sicht argumentieren, ist kein Zufall, sondern ein Lehrer. In den
Dialogen Platons wird deutlich, dass Sokrates die Prüfungen des Lebens als
Chance sah, Tugend und innere Stärke zu entwickeln. Seine eigene Hingabe galt
der Wahrheit, selbst als diese ihn letztlich das Leben kostete. Er vertraute
darauf, dass das Streben nach Erkenntnis – auch durch schmerzhafte Erfahrungen
– einen höheren Zweck erfüllt.
Wenn wir uns starr gegen das
Leid wehren, verweigern wir uns dieser Prüfung. Sokrates würde uns vielleicht
fragen: „Warum fürchtest du das, was dich wachsen lässt?“ Hingabe bedeutet
hier, sich dem Leben mit all seinen Facetten hinzugeben – nicht passiv, sondern
mit der Bereitschaft, daraus zu lernen. Vertrauen wiederum entsteht, wenn wir
erkennen, dass selbst das Schwere einen Platz in unserer Geschichte hat.
C.G. Jung: Die Alchemie der
Seele
Der Schweizer Psychologe
Carl Gustav Jung bietet eine weitere Perspektive, die Mengzis Worte auf eine
tiefere Ebene hebt. Für Jung war das Leben ein Prozess der Individuation – der
Reise zur Ganzheit des Selbst. Leid, Schatten und Krisen sind dabei keine
Hindernisse, sondern notwendige Schritte. In seiner Sichtweise gleicht der
Mensch einem Rohdiamanten, der durch Druck und Hitze geschliffen wird, um seine
wahre Schönheit zu entfalten. „Man wird nicht erleuchtet, indem man sich
Lichtgestalten vorstellt, sondern indem man das Dunkel bewusst macht“, schrieb
er einmal.
Jung sah im Leid eine
Einladung, sich mit dem Unbewussten auseinanderzusetzen. Hingabe bedeutet hier,
sich diesem Prozess zu öffnen, auch wenn er Angst macht. Vertrauen wächst, wenn
wir begreifen, dass das Leben uns nicht zerstören will, sondern uns zu unserem
authentischen Kern führen möchte. Vielleicht sind die „Hinweise des
Schicksals“, von denen ich später sprechen werde, nichts anderes als die
Sprache des Unbewussten, die uns sanft – oder manchmal laut – auf unseren Weg
lenkt.
Das Urvertrauen der Kinder:
Ein Vorbild für uns alle
Wenn wir ein kleines Kind
beobachten, das sich in die Arme seines Vaters wirft, sehen wir ein Bild von
absolutem Vertrauen. Kinder haben ein Urvertrauen, das tief in ihnen verwurzelt
ist – eine Selbstverständlichkeit, mit der sie sich fallen lassen, weil sie
wissen: „Ich werde aufgefangen.“ Sie zweifeln nicht daran, dass ihre Eltern sie
schützen, halten und lieben. Dieses Vertrauen ist so rein, so unerschütterlich,
dass es uns Erwachsene oft in Erstaunen versetzt. Doch genau dieses Urvertrauen
verlieren wir im Laufe des Lebens oft – durch Enttäuschungen, Verletzungen oder
die Härten, die uns begegnen.
Dieses kindliche Vertrauen
ist jedoch ein Schatz, den wir wiederentdecken müssen. Nicht unbedingt in
andere Menschen, denn das Leben lehrt uns, dass nicht jeder dieses Vertrauen
verdient. Vielmehr geht es darum, dieses Vertrauen in uns selbst, in das Leben
und in eine höhere Ordnung zu kultivieren. Kinder zeigen uns, wie es aussieht,
sich bedingungslos hinzugeben – ohne Zweifel, ohne Zögern. Sie erinnern uns
daran, dass wir stets geschützt und behütet sind, auch wenn wir es in
schwierigen Momenten nicht spüren. Wenn wir dieses Urvertrauen wiederfinden,
können wir uns dem Leben mit einer neuen Leichtigkeit öffnen. Wir lernen, dass
wir nicht alles kontrollieren müssen, sondern dass wir uns dem Fluss des Lebens
anvertrauen dürfen – in dem Wissen, dass wir getragen werden, so wie ein Kind
in den Armen seines Vaters.
Persönliche Reflexion: Durch
die Dunkelheit zum Licht
Ich erinnere mich an die
1980er Jahre, eine Zeit, in der ich selbst durch eine tiefe Krise ging. Damals
fiel mir das Buch Sorge dich nicht, lebe von Dale Carnegie in die Hände – ein
Werk, das mir zeigte, wie man inmitten von Sturm und Chaos einen Anker finden
kann. Es lehrte mich, dass jedes noch so negative Ereignis eine positive Seite
hat, auch wenn diese oft erst im Rückblick sichtbar wird. Damals fühlte ich
mich allein, wie es wohl viele in schwierigen Momenten tun. Doch genau diese
Einsamkeit zwang mich, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen – und letztlich
stärker daraus hervorzugehen.
Heute, mit mehr
Lebenserfahrung, glaube ich: Das Leben ist ein Schleifprozess. Wenn wir zu stur
an alten Vorstellungen oder Erwartungen festhalten, gibt uns das Schicksal
zunächst leise Hinweise – ein Gefühl, eine Begegnung, ein kleiner Rückschlag.
Ignorieren wir sie, werden die Lektionen deutlicher, manchmal schmerzhaft. Ich
habe Verlust erlebt, Krankheit, Momente, in denen ich dachte, nicht
weiterzumachen. Doch rückblickend sehe ich, dass diese Erfahrungen mich Demut
lehrten. Sie zwangen mich, loszulassen und mich dem Fluss des Lebens
hinzugeben.
Die positive Seite des
Negativen
Ja, es klingt provokativ zu
sagen, dass jedes negative Ereignis einen positiven Kern hat. Wer gerade in
Schmerz oder Trauer steckt, wird diese Worte vielleicht ablehnen – und das ist
verständlich. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich: Irgendwann, wenn der Sturm
sich legt, zeigt sich ein Licht. Vielleicht ist es die Erkenntnis, wer einem
wirklich zur Seite steht. Vielleicht die Stärke, die man in sich entdeckt. Oder
die Fähigkeit, andere in ihrer Not besser zu verstehen. Das Leben schenkt uns
durch Leid oft die Werkzeuge, die wir für unsere „große Aufgabe“ brauchen, wie
Mengzi es nennt.
Hingabe und Vertrauen als
Lebenshaltung
Hingabe ist kein blindes
Erdulden, sondern ein aktives Annehmen dessen, was ist. Vertrauen wiederum ist
der Glaube, dass selbst das Chaos einen Sinn hat – vielleicht sogar einen, den
wir vor dieser Inkarnation selbst gewählt haben, wie es manche spirituelle
Lehren vermuten. Das Auf und Ab des Lebens ist kein Zufall, sondern ein Tanz,
in dem wir lernen, uns selbst und dem großen Ganzen zu vertrauen. Wenn wir das
Urvertrauen eines Kindes in uns erwecken, können wir diesen Tanz mit mehr
Leichtigkeit und Freude erleben. Wir dürfen uns fallen lassen – in dem Wissen,
dass wir aufgefangen werden, sei es durch das Leben selbst, durch unsere innere
Stärke oder durch die Liebe derer, die uns nahestehen.
Wenn wir zurückblicken,
erkennen wir oft, dass die schwierigsten Momente unsere größten Lehrer waren.
Sie haben uns geschliffen, uns weicher gemacht, empfänglicher für das, was
wirklich zählt: Liebe, Verbindung, Akzeptanz. Und manchmal reicht es, einen
einzigen Menschen an unserer Seite zu haben, der uns in diesen Zeiten hält –
ein Geschenk, das umso kostbarer wird, je seltener es ist.
Ein abschließender Gedanke
Mengzi, Sokrates und Jung –
sie alle deuten darauf hin, dass Leid nicht das Ende ist, sondern ein
Durchgang. Das Leben zermürbt uns nicht, um uns zu brechen, sondern um uns zu
formen. Wenn wir lernen, uns hinzugeben und zu vertrauen – so wie ein Kind, das
sich in die Arme seines Vaters wirft –, entdecken wir eine tiefe Weisheit: Dass
wir stärker sind, als wir dachten, und dass jede Wunde auch ein Fenster zum
Licht sein kann.
© 2025 - Ernst Koch - www.spirituallifecoach.de - Arkanum Solution Publishing Ltd. - Erste Veröffentlichung am 9. April 2025 auf https://reiki-spiritualhealer-ernstkoch.blogspot.com/2025/04/hingabe-vertrauen-ein-weg-durch-die.html
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